„Führung“ hat es schwer – das Wort und auch das Thema „Führung“ hat es heutzutage nicht leicht. Gerade für deutsche Ohren klingt darin noch immer ein dunkles Kapitel unserer Geschichte nach. Aber nur weil Führung sehr wohl und auch immer wieder verkehrt verstanden und praktiziert wird, können wir nicht aufhören, darüber zu sprechen und dessen Wichtigkeit zu betonen. Gerade weil wir in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ebenen mit schwacher oder schlechter oder unklarer Führung konfrontiert werden – auch in Kirche und Gemeinde – ist es nötig, dass wir uns damit auseinandersetzen und dazulernen. Und nicht zuletzt weil in diesem Jahr wieder neu die Leitungsgremien unserer Kirchengemeinden gewählt und eingesetzt werden, möchte ich ein paar Impulse dazu setzen.
In den Sprüchen heißt es: „Wo es an Führung fehlt, kommt ein Volk zu Fall, doch kommt Rettung durch viele Ratgeber.“
Das ist wahr für jeden einzelnen unserer Lebensbereiche. Ohne weise Führung ist eine Familie in Schwierigkeiten. Ohne weise Führung ist eine Firma in Schwierigkeiten. Ohne weise Führung ist eine politische Gemeinde in Schwierigkeiten. Ohne weise Führung ist eine Kirche in Schwierigkeiten. Ohne weise Führung ist die Welt voller Probleme. Denn alles steht und fällt mit einer guten Führung. Nicht zuletzt: wenn ich mein eigenes Leben nicht führen kann, bin ich in Schwierigkeiten und es fehlt mir jede Autorität, andere zu führen.
Drei große Führungsprobleme in unserer Kultur
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Wir kennen nicht mehr den Unterschied zwischen einer Berühmtheit und einer wahren Führungsperson. Berühmtheiten sind berühmt. Führungsmenschen erledigen Dinge. Wir haben zu viele Berühmtheiten und nicht genügend Leiter.
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Das zweite Problem: Wir haben einen Mangel an von Gott bevollmächtigten und guten Führungspersönlichkeiten. Deswegen ist es mir ein Anliegen, uns an die Arbeit zu machen und die Zahl guter Leiter zu erhöhen.
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Das dritte Problem ist, dass oftmals die falschen Führungspersonen in vielen Bereichen zu finden sind. Also geht es auch darum, Selbsterkenntnis zu gewinnen: wofür hat Gott mich gemacht? Bin ich wirklich die richtige Frau/der richtige Mann an dieser Stelle?
Führen heißt „beeinflussen“
Vielleicht haben wir uns selbst noch nie als Führungspersönlichkeit gesehen, obwohl wir eine sind.
Im Grunde ist nämlich jeder von uns ein Leiter, ob wir es nun bewusst wahrnehmen oder nicht. Denn Leitung oder Führung in aller Kürze bedeutet Einfluss auf andere zu nehmen. Diese einfachste aller Definitionen hat Oswald Chambers einmal geprägt. Es geht darum, andere Menschen auf ein lohnendes Ziel hin zu beeinflussen. Dabei hängt Führung nicht von Titeln oder Positionen ab. Titel oder Positionen können helfen oder schaden, aber sie machen nie den Leiter. Stimmt das nicht? Das ist ernüchternd und auch befreiend. Ernüchternd, weil viele von uns das schon erlebt haben in Firmen, Institutionen usw. Ein Chef ist noch kein Ass in Menschenführung, nur weil er Chef ist. Wer sich nicht darum kümmert, diese Kunst zu lernen, bleibt darin äußerst begrenzt. Wenn wir aber wissen, dass wir Einfluss nehmen – jeder von uns – sollten wir darum nicht bemüht sein, dass dieser Einfluss immer besser wird? Immer Jesus ähnlicher wird? Der Einfluss auf unsere Partner, Kinder, Freunde, Arbeitskollegen, Chefs, Untergebene usw.? Und das meiste hat dabei natürlich mit unserer eigenen Person und Persönlichkeit zu tun.
Selbstführung
Die wichtigste Frage ist nicht, ob ich andere Menschen führen kann. Die wichtigste Frage ist, ob ich mich selbst führen kann. Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen. Nur das, was ich selbst verstanden habe, kann ich anderen beibringen. Nur, wo ich selbst gewesen bin, kann ich andere hinführen. Und deswegen können wir uns gar nicht leisten, jemals stehen zu bleiben. Wir werden in diesem Thema nie ganz zu Ende kommen. Jedes Mal, wenn wir mit jemandem zusammenkommen, beeinflussen wir sie oder ihn. Wenn wir Christen sind, beruft uns Gott dazu, für ihn Einfluss auf andere zu nehmen und dies in einer guten Art und Weise als seine Botschafter zu tun.
Ich möchte ein Leben lang darin wachsen, eine bessere Führungspersönlichkeit zu werden und das wünsche ich auch jedem Leser. Und aus gegebenem Anlass auch besonders denen, die ab Herbst für sechs Jahre zum Kirchenvorstand gewählt werden.
Thomas Bachmann