Thomas Bachmann: ERlebt

Im Alter von 21 Jahren hatte ich im Grunde ein sehr erfülltes Leben. Nach dem Abi beschloss ich, mein Hobby zum Beruf zu machen und mich als Sportsoldat bei der Sportfördergruppe für Fallschirmspringen in Altenstadt zu bewerben. Da ich bereits mit 16 Jahren Fallschirmspringen begonnen hatte, ein wenig Erfahrung mitbrachte und mich nicht schlecht anstellte, wurde ich aufgenommen. Es war für mich eine begeisternde Zeit, Leistungssport zu betreiben und viele Länder zu bereisen. In gewisser Weise gehörte ich zu einer Elite, die die Bundesrepublik in Wettkämpfen vertreten durfte. Aber auch sogenannte Außenlandungen auf Festivitäten oder im ZDF Fernsehgarten gehörten dazu. Trotz dieses sehr abenteuerlichen und bevorzugten Lebensstils spürte ich innerlich eine gewisse Leere in meinem Herzen. Die Frage nach dem Sinn meines Daseins trieb mich um. Auch war es für mich als Leistungssportler von Bedeutung, wie ich meinen inneren Menschen stärken und mich von äußeren Umständen unabhängig machen konnte. Die Tatsache, dass ich auch Menschen gesehen habe, die beim Springen ums Leben kamen, konfrontierte mich jeder eigene Absprung im Grunde mit der Endlichkeit meines Lebens. Die Fragen nach Gott, nach einem Leben danach, nach Sinn und Bedeutung meines Tuns wurden in mir immer größer. Einerseits erlebte ich die überwältigende, traumhafter Natur, wenn wir früh morgens mit dem Hubschrauber auf 2000 bis 3000 Meter Höhe stiegen – die Alpen immer im Blick und dann das unbeschreibliche Erlebnis des freien Falls und die Gemeinschaft im Team. Andererseits bohrte in mir aber auch die Ungewissheit eines Endes, das Fehlen einer letzten Geborgenheit und die Frage, ob es vielleicht doch eine Bestimmung für mein Leben geben könnte. All das brachte mich dazu, mich mit Religion und Esoterik auseinanderzusetzen. Zwar verfolgte ich das Ziel, nach der Bundeswehrzeit, die vier Jahre gehen sollte, Englisch und Sport zu studieren. Gleichzeitig interessierten mich aber auch Berufe, mit denen ich anderen Menschen sinnhafter helfen konnte. Ich beschloss, aus religiösen Gründen, Vegetarier zu werden und hielt das ungefähr ein Jahr durch. Ich suchte Antworten in verschiedensten Büchern und Angeboten. Siddartha von Hesse begeisterte mich und ich identifizierte mich mit ihm auf der Suche nach Erleuchtung. Ein Buch über die Liebe inspirierte mich, aber ich merkte, wie ich selbst dem Anspruch der Liebe nicht genügen konnte und immer wieder scheiterte.

Bei einem Aufenthalt in den USA 1987, als wir mit der Sportgruppe in einem Trainingscamp waren, hatte ich eines Tages ein Erlebnis, das mein Leben veränderte. Nach dem Besuch eines Gottesdienstes, der durch einen Pfarrer in Uniform gehalten wurde und dessen Ausstrahlung in mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, ging ich nachmittags alleine in einem Wald spazieren. 

Gedankenversunken durchströmte mich auf einmal eine Liebe, wie ich sie zuvor noch nie in meinem Leben erlebt habe. Auf eigenartige Weise war mir sofort klar, dass es Gottes Liebe war, die mich berührte. Zwar war mir Gott immer schon ein Begriff und ich betete auch zu ihm (immer vor dem Absprung, dass nichts passierte und am Abend vor dem Schlafen), aber an diesem Tag wurde er für mich ganz persönlich. Er meinte mich. Er liebte tatsächlich mich. Ich war ihm wichtig und er war dabei, meiner Sehnsucht zu begegnen.

Erfüllt von diesem Ereignis spürte ich eine überströmende Liebe zu meinen Teamkollegen und sah sie auf einmal irgendwie in einem neuen Licht. Der Versuch, diese Erfahrung zu erzählen, scheiterte zwar, weil mir die Worte fehlten und viele mich nur verwundert ansahen. Aber ich wusste für mich, dass ich etwas sehr Reales erlebt hatte.

Einen Monat später im Januar 1988 wurde ich auf den Einzelkämpferlehrgang geschickt. Körperlich gut trainiert war dies kein großes Problem für mich. Lediglich die Tatsache, für den Ernstfall ausgebildet zu werden und auf die verschiedenste Weise das Töten zu lernen, bereiteten mir erstmalig Bauchschmerzen. In mir wuchs mehr und mehr der Wunsch, etwas anderes zu tun, aber ich wusste nicht was? Das Unwohlsein in diesem vierwöchigen Lehrgang wurde größer. Da passierte Folgendes: Eines Morgens gegen fünf Uhr, als wir geweckt und auf einen Marsch geschickt wurden, las ich noch schnell in der Gideonbibel, die ich in der Brusttasche meiner Uniform hatte. Wahllos schlug ich die Bibel auf, als mich der Vers aus Römer 1,1 traf: „Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes.“ Das war´s. Ich war nicht Paulus, sondern Tommy, aber das war mein Ruf. Ergriffen von der tiefen Überzeugung, dass es das war, was ich tun wollte und sollte, ging ich einen mutigen Schritt. Ich beschloss nach drei Wochen Lehrgang und fast drei Jahren Bundeswehr den Kriegsdienst zu verweigern, um Prediger zu werden. Doch ein schwieriger Gang stand noch aus. Der Gang zum obersten Kommandeur. Gleich am folgenden Montag musste ich vorsprechen und es war gleich klar, dass dieser Oberst nicht willens war, mich gehen zu lassen. Aber ich wusste einfach, dass es so kommen musste. Heute kann ich mich nicht mehr erinnern, was ich alles gesagt habe. Aber einige Monate später, als ich die Bibel kennenlernte, war mir klar, was passiert sein musste. Jesus sagt einmal zu seinen Jüngern: „Wenn sie euch vor Gericht bringen, dann sorgt euch nicht im Voraus darum, was ihr aussagen sollt! Denn zur rechten Zeit wird Gott euch das rechte Wort geben. Nicht ihr werdet es sein, die Rede und Antwort stehen, sondern der Heilige Geist wird durch euch sprechen.“ (Matthäus 13,11)

Am Ende stand der Kommandeur auf, gab mir die Hand und entließ mich mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Die anschließende Anhörung beim Gericht, bei der mich mein Vater, der sehr mit meiner Entscheidung zu kämpfen hatte, begleitete und für mich sprach, brachte mir schließlich die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. 

Nun hatte ich im Grunde erlebt, dass Er lebt. Ich wusste mich geführt und übernatürlich begleitet und doch wusste ich nicht, mit wem ich es wirklich zu tun hatte und wie ich Gewissheit in diesem Glauben finden konnte. Da fiel mir wieder ein, dass ich einige Jahre zuvor genauso ein Büchlein in die Hände bekam, in dem Menschen von ihren Erfahrungen mit Gott berichtet hatten. Und am Ende dieses Buches fand ich in vier Schritten erklärt, wie ich mir der Annahme durch Gott sicher werden konnte: 

1. Vertrauen, dass Gott mich so liebt, wie ich bin. 

2. Verstehen und anerkennen, dass Sünde mich von Gott trennt und ich allein nicht frei werden kann zu echter Liebe. 

3. Glauben, dass Jesus Christus mit seinem Tod am Kreuz für mich die Brücke zu Gott geschlagen hat, mich von Sünde befreit und mir alles vergeben hat. 

4. Annehmen, dass Jesus in mir leben will und mich durch seinen Geist zu einem neuen Menschen und zu einem Glied an seiner Gemeinde gemacht hat. 

Ich saß damals am Küchentisch und sprach ein kleines vorformuliertes Gebet: Herr Jesus, danke, dass du mich liebst und für mich gestorben bist. Es tut mir leid, dass ich ohne dich gelebt habe und vieles getan habe, was nicht deinem Willen entsprach. Komm in mein Herz und verändere mich so, wie du mich haben willst. Leite mich von nun an mit deinem Geist und führe mich zu Menschen, mit denen ich im Glauben an dich wachsen kann. Amen. 

Das ist jetzt fast genau 30 Jahre her und ich kann sagen, dass es für mich kein spannenderes Leben geben kann, als täglich mit diesem Gott unterwegs zu sein. Ihn immer besser kennenzulernen, seiner Liebe zu folgen und die gute Nachricht weiterzugeben, damit noch viele Menschen Ihn finden können, ist für mich zur Bestimmung geworden.

Thomas Bachmann

 

Lorenz Meier

Datum

1. Oktober 2019

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