„Lieben dich deine Eltern?“ „Ja“, sagt Sarah ohne zu zögern. „Sie verbringen immer viel Zeit mit mir und das finde ich toll von ihnen.“
„Liebt dich dein Vater?“ „Ich bin mir nicht ganz sicher“, sagt Mark. „Irgendwie schon, aber oft habe ich das Gefühl, dass ich ihm egal bin. Denn wenn ich ihn bei wichtigen Dingen um Hilfe bitte, meint er nur, ich müsste selber eine
Lösung finden.
Er will natürlich, dass ich selbstständig werde. Trotzdem fühle ich mich in solchen Momenten nicht geliebt von ihm.“
„Lara, fühlst du dich von deinen Jugendleitern geliebt?“„Auf jeden Fall! Sie klopfen mir immer auf die Schulter und sagen mir oft, dass ich Dinge toll mache. Ich bin mir ganz sicher, dass sie mich mögen.“
„Liebt dich deine Mama?“„Ja, ich denke schon, aber ich würde mir wünschen, dass sie mir öfters kleine Geschenke macht.“
Es ist erstaunlich. Ich denke, dass grundsätzlich erstmal alle Eltern davon überzeugt sind, dass sie ihre Kinder lieben. Auch in der Gemeinde mögen normalerweise die Mitarbeitenden, die Kinde
rarbeit oder Jugendarbeit machen, die Kinder und Teenies.
Ich glaube auch, dass es Gott besonders gefällt, wenn wir unsere Liebe den Kindern gegenüber zum Ausdruck bringen. Der Psalmist drückt es so aus:„Kinder sind eine Gabe des Herrn.“ (Psalm 127,3) Weil sie von Gott kommen, sind sie es wert, wahrgenommen zu werden. Und dennoch mangelt es immer wieder an wertschätzender Liebe gegenüber den Kindern. Oder fehlt es einfach an der richtigen Sprache der Liebe?
In dem ausgezeichneten Buch„Die fünf Sprachen der Liebe für Kinder“ beschreiben die Autoren Gary Chapman und Ross Campbell, dass zwar viele Eltern ihre Kinder lieben, aber die Liebe oftmals nicht bei den Kindern ankommt.
Der Grund liegt in den unterschiedlichen Sprachen der Liebe, die jeder Mensch spricht.
Wie in den Beispielen zu Beginn beschrieben, fühlen sich manche Kinder ausreichend geliebt, weil ihre Eltern sie z.B. in den Arm nehmen oder ihnen ihre Hilfe anbieten, wenn sie etwas benötigen. Ihre Muttersprache der Liebe ist dann offensichtlich „Berührung“ oder „Hilfe“. Andere Kinder fühlen sich ungeliebt – oder mit den Worten der Autoren beschrieben „ihr Liebestank bleibt leer“ – weil Eltern oder andere nahe Personen nicht wirklich mal ganz für sie da sind (Sprache der Zweisamkeit) oder sie nur ganz selten loben (Sprache der Anerkennung). Wieder andere blühen auf, wenn sie kleine Geschenke bekommen und fühlen sich dadurch absolut geliebt. (Sprache der Geschenke).
Wenn unsere Kinder eine Gabe Gottes sind, dann sollten wir alles dransetzen, sie wirklich wahrzunehmen und gut kennenzulernen. Wenn wir herausfinden, welche Liebessprache ihren Liebestank
füllt, wird dies dazu beitragen, dass die Kinder ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln und sich auch leichter von Gott geliebt wissen.
Die Erfahrung, bedingungslos geliebt und wertgeschätzt zu sein, ist heute ein seltenes, aber unverzichtbares Geschenk. Und das können wir – besonders als Menschen, denen Gottes bedingungslose Liebe eine Wirklichkeit geworden ist – unserer jungen Generation schenken.
Auch in der Gemeinde finden die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes eine „Familie“ vor. Jeder Sonntag bietet die Möglichkeit, die kleinen Erdenbürger, die Gott uns anvertraut, wahrzunehmen und zu lieben. Alle Sprachen der Liebe können und sollen hier zum Zuge kommen, denn tatsächlich brauchen wir alle von allem genug. Neulich habe ich mich selbst beobachtet, wie ich zwei Eltern vor dem Gottesdienst begrüßt habe. Deren Kinder befanden sich einen Meter darunter entweder an der Hand der Mama oder im Kinderwagen. In diesem Moment war mir, als würde Jesus mir sagen:„Übersieh die Kleinen nicht!“
Und mir wurde deutlich, wie leicht es passieren kann, sie in dem ganzen Trubel nicht wirklich wahrzunehmen. Also wandte ich mich ihnen zu und begrüßte sie ebenso freudig, wie zuvor ihre Eltern. I
ch wünsche mir, dass wir in St. Matthäus eine Kultur der Wahrnehmung – auch und besonders den Kleinsten, den Kindern und Jugendlichen gegenüber pflegen. Ich erinnere mich, wie bedeutsam es für mich als Kind war, wenn sich tatsächlich mal ein Erwachsener für mich interessierte, mich ansprach oder lobte. Wir vergessen das oft. Vielleicht haben wir als Kinder diesbezüglich auch selbst Mangel erleben müssen. Dennoch: lasst uns anfangen, von Anfang an unsere eigenen Kinder, aber auch die Kinder in unserer Gemeinde oder in der Nachbarschaft oder anderswo wahrzunehmen. Und lasst uns lernen, welche Liebessprachen ihre Liebestanks besonders füllen.
Thomas Bachmann