Mü(n)digkeit

Liebe Leserinnen und Leser,

bei kleinen Kindern ist es uns sonnenklar. Alle Eltern haben ein Ziel für ihre Sprösslinge: dass sie irgendwann erwachsen und reif werden, ihre eigenen Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen und das Leben so gut wie möglich selbst meistern können.

Und wir alle wissen, dass dieser Weg ins Erwachsenenalter nicht immer leicht ist und dass es da auch Rückschläge zu verzeichnen gibt, dass sich bei den Kindern und Jugendlichen auch so manche Müdigkeit einstellt. Doch wäre es eine schlechte Idee, sie dann einfach sich selbst zu überlassen und zu sagen: es ist okay, wenn du nicht weiterwachsen willst. Du musst nicht länger in die Schule gehen, bleib zuhause und schlaf dich aus. Spiel einfach nur. Wir versorgen dich bis zum St. Nimmerleinstag. Wir lieben dich.

Nun, das wäre keine Liebe, sondern sogar ziemlich lieblos, wenn wir so unser Kind verkommen lassen würden und versäumen, es fit für das Leben und seine Zukunft zu machen. 

Der Schöpfer unseres Lebens hat einen guten Plan für uns und der sieht vor, dass wir mündige Menschen werden sollen. Das gilt für jeden unserer Lebensbereiche – seelisch, körperlich, geistig, sozial – und auch geistlich (die Reifung als Christenmensch).

Auch wenn der Zeitgeist uns etwas anderes vermitteln möchte und viele junge Menschen heute seinen Lügen aufsitzen, muss deutlich gesagt werden: der Weg zu einem mündigen Menschsein ist nicht gleichzusetzen mit dem Weg der Selbstverwirklichung. Unsere Generation hat es schwer mit Begriffen wie Selbstdisziplin, Selbstverleugnung, Opfer bringen. Und doch sind es gerade diese zutiefst christlichen Tugenden, die notwendig zur Reifung unserer Persönlichkeit beitragen.

Glaubensmüdigkeit

Nun betrifft die Müdigkeit im Reifen nicht nur unsere Jugend allgemein, sondern ich beobachte sie auch unter den Christen. Wenn wir unseren Glauben ernstnehmen, dann befinden wir uns auf einer Reise in die Mündigkeit. Geistliche Reife ist das Ziel unseres Glaubens. Es besteht darin, wie Paulus schreibt, dass wir alle hinwachsen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien (Eph 4,13).

Für dieses Wachstum hat Gott bereits alles getan. Er hat uns Jesus geschenkt, der uns neues Leben gibt, wenn wir glauben und ihm unser ganzes Leben anvertraut haben. Durch die Taufe ist unser altes (gott-loses) Leben beendet und wir haben seinen Heiligen Geist empfangen, durch den wir nun die Gnade (Kraft) in uns haben, ein geistlich reifer (jesusähnlicher) Mensch zu werden.

Und trotzdem kämpfen so viele Christen mit Müdigkeit. Vieles erscheint ihnen so anstrengend zu sein. Die Mittel, die uns Gott zur Verfügung gestellt hat, um zu wachsen, werden nur selten genutzt. Das Lesen in der Bibel, das Beten, die Entscheidung, sich einer festen Gruppe anzuschließen, um mit anderen zusammen über den Glauben zu sprechen, der Gottesdienst – all das bleibt ungenutzt.

Ich denke, es ist wie bei der Erziehung. Wir haben die Wahl. Wir können uns selbst einreden, dass es nicht schlimm ist, wenn wir keine Lust zum Wachsen im Glauben haben, Gott liebt uns ja trotzdem. Aber das wäre lieblos gegen uns selbst, denn dann treten wir auf der Stelle oder verlieren vielleicht irgendwann ganz unseren Glauben. Weil Gott uns liebt und wir uns selbst auch lieben sollten, gibt es nichts Besseres, was wir für uns tun können, als jede Müdigkeit immer wieder zu überwinden und im Glauben weiter zu wachsen – Mündigkeit zu erlangen.

Dieses Ziel ist unsere ganze Aufmerksamkeit immer wieder wert. Wie können wir starten? 

Vier Tipps, die uns motivieren können:

1. Wachstum ist Gottes Lebensziel für mich: Werden wie Jesus.

2. Wachstum geschieht nicht automatisch: Geistliche Muskeln wollen trainiert werden

3. Ich habe schon alles, was ich brauche in mir: Gott hat mir seinen Geist gegeben, der mich stärkt

4. Wie ein guter Bauer kümmere ich mich um das Feld meines Lebens: Samen = Gottes Wort; Gebet und Austausch = Begießen der Saat; Umkehr, Beichte = Loswerden des Unkrauts

Pfarrer Thomas Bachmann

 

Müdigkeit

„Papa, Zimmer gehn, Audo piel‘n!“ Ich schau auf die Uhr, es ist 5.15 Uhr als unser zweijähriger Sohn voller Energie diesen Satz sagt. Meine routinierte Antwort: „Schlaf doch bitte weiter“ kann ich mir wahrlich sparen, weil hier jemand entschieden und leidenschaftlich in den Tag starten will. 

Müdigkeit – jeder kennt das alltägliche Phänomen nach einem langen Arbeitstag, intensivem Training oder einer schlaflosen Nacht. Diese Signale sind gut und wichtig, damit der Körper sich ausruhen und regenerieren kann. Viel gefährlicher ist jedoch eine seelische und geistliche Müdigkeit, die uns träge macht und unsere Frische und Lebendigkeit raubt. Manche Menschen sind müde, weil es für sie zu viel ist und zu schnell geht mit den Veränderungen. Müde, weil sie sich Sorgen machen, wie es weitergeht mit der nächsten Generation, den Kriegen, der eigenen Gesundheit uvm. Der permanente und lange Blick auf das Smart-Phone und die unmittelbare Erreich- und Sichtbarkeit von Nachrichten, Bildern und Videos machen auf Dauer müde. Der Druck alles richtig machen zu wollen und nichts zu verpassen kann auch schlaflose Nächte bereiten und innerlich unruhig machen.   Dabei will man doch mündige Entscheidungen treffen, die Körper, Seele und Geist gut tun. Gibt es jemanden, der sich der Hilflosigkeit und Überforderung annimmt? 

Der Prophet Jesaja spricht im Auftrag Gottes zu Babel, der politisch-militärischen Macht des Orients der damaligen Zeit. Er zeigt dieser Macht auf, was alles falsch läuft und kündigt das Ende der babylonischen Herrschaft an. Und mitten drin steht dieser Satz: „Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne“ (Jes. 47,13). Andere übersetzen „…mit der Menge deiner Beratungen.“ In Babel sind Ratgeber, Sterndeuter und Horoskopleser gemeint. Sie gibt es bis heute. Aber auch andere. Für jedes Thema und jeden Geschmack finden wir Ratgeberliteratur. YouTube und Instagram ist voll von Beratenden, die mit Bildern und Videos Selbstoptimierung vorleben und Vorschläge machen, was man noch alles in den Tag packen soll um glücklich und erfüllt zu sein. Kommen die Berater zu mir, wenn ich nicht mehr weiter weiß? Sind sie persönlich an mir interessiert oder verfolgen sie andere Absichten? „Sollen die Berater doch kommen und euch retten“, ergänzt der Prophet mit dem Wissen, dass nur Gott helfen kann. Somit schlägt Jesaja folgende Therapie vor: „Durch Stillsein und Vertrauen würdet ihr gerettet“ (Jes.30,15). Es geht nicht grundsätzlich darum, Ratgeber zu ignorieren oder keine Pläne zu machen. Wie oft rennen wir unseren eigenen Plänen nach und wollen sie umsetzen. Manchmal um jeden Preis, auch wenn Beziehungen darunter leiden. Ob zu Gott, den Menschen um uns herum, oder uns selbst. Beten wir, dass wir Gottes Plan erkennen, oder bitten wir Ihn, unsere Pläne umzusetzen, die womöglich von zu vielen schlechten Ratgebern beeinflusst wurden? Gott erinnert uns, dass wir im Vertrauen auf Ihn leben dürfen. Jesus lädt uns ein loszulassen, was uns müde macht. Erst wenn wir loslassen merken wir, dass wir von Ihm gehalten werden. Wir dürfen Stille sein und hören, was Er sagt. Er hat immer noch alles in der Hand und weiß was uns müde macht. Wenn wir auf Jesus schauen und von ihm gepackt sind, dann packen wir es. Dann kann es sein, dass die Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gott uns um 5.15 Uhr weckt und wir bereits morgens Kraft tanken für den Alltag. Dafür brauchen wir Stille, so regelmäßig wie wir unseren Schlaf brauchen. 

Oliver Schäfer

 

 

Albrecht Fietz

Datum

1. Februar 2024

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