An Jesus dranbleiben

An Jesus dranbleiben – wie die Rebe am Weinstock

Als wir die Hochzeit planten, kam die Frage auf: Welchen Wein möchten wir eigentlich für die Hochzeit kaufen? 

Ich erinnerte mich an einen Winzer aus der Pfalz, den wir Jahre zuvor besucht hatten. Leidenschaftlich erzählte er von seinen Trauben, zeigte uns seinen Weinberg und ließ uns probieren. Der Wein war ausgezeichnet- fruchtig und voller Geschmack. Es waren Reihen von Reben, ordentlich am Spalier hochgezogen, die sich zum Licht hin ausstrecken. 

Ein wunderschönes Bild – und gleichzeitig ein Sinnbild für unser Leben mit Jesus.

Stell Dir einmal eine Rebe ohne Spalier vor. Sie würde am Boden liegen, sich verheddern, kaum Sonne bekommen – und nur wenige, schwache Trauben tragen. Eine Rebe braucht Halt, Orientierung und Licht, um Frucht zu bringen. Aber eines kann sie nicht: aus eigener Kraft wachsen oder Früchte hervorbringen. Alles, was sie braucht – Wasser, Nährstoffe, Sonne, Kraft – bekommt sie vom Weinstock. Ihre einzige Aufgabe ist es, verbunden zu bleiben.

Genau darum geht es auch in unserem Glauben. Jesus sagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ (Joh 15,5) Frucht entsteht nicht durch unsere Anstrengung, sondern durch die Verbindung zu Jesus. Unsere Aufgabe ist es, dranzubleiben.

Aber wie gelingt das im Alltag – zwischen Terminen, Familie, Arbeit und all den Ablenkungen?

Hier kann uns ein uraltes Konzept der frühen Christen helfen: die sogenannte Lebensregel. Das klingt vielleicht streng oder altmodisch, meint aber etwas ganz Praktisches. Das lateinische Wort regula heißt ursprünglich wörtlich übersetzt „ein gerades Stück Holz“ oder „Spalier“ – also die Stütze, an der sich die Rebe orientiert. Eine Lebensregel ist nichts anderes als eine geistliche Stützstruktur, die uns hilft, im Glauben aufgerichtet zu bleiben.

Sie kann ganz unterschiedlich aussehen: feste Zeiten des Gebets, Bibellesen am Morgen, ein wöchentlicher Ruhetag, Gemeinschaft mit anderen Christen, Zeiten der Stille oder Dankbarkeit. All das schafft Raum, damit Gottes Leben in uns fließen kann.

Eine Lebensregel ist kein enges Regel­werk, sondern eine Einladung, unser Leben bewusst um Jesus zu ordnen. Sie trägt uns, wenn unsere Begeisterung nachlässt oder die Liebe ins Wanken gerät – so wie das Spalier die Rebe trägt, auch wenn der Wind bläst. Hierzu passen die Worte des Pfarrers und Märtyrers Dietrich Bonhoeffer gut. Er schrieb aus dem Gefängnis einem jungen Paar zu ihrem Hochzeitstag: „Eure Liebe kann die Ehe nicht tragen – lasst die Ehe eure Liebe tragen.“ Genauso dürfen wir sagen: Unser Gefühl für Jesus wird uns nicht immer tragen – aber die bewusste Lebensweise mit ihm kann es tun.

So wie die Rebe vom Weinstock alles empfängt, was sie braucht, dürfen auch wir empfangen: Kraft, Trost, Freude, Leben. Unsere Aufgabe bleibt dieselbe – dranbleiben an Jesus, dem Weinstock, der uns nährt und Frucht wachsen lässt, die bleibt.

Oliver Schäfer

 

 

 

 

St. Matthäus Redakteur

Datum

1. November 2025

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