Begleiten und Fördern

Meinem Ausbilder war es sehr wichtig, nicht nur seine grafischen Kenntnisse an mich weiterzugeben, sondern auch echte Lernbereitschaft von mir zu fordern. Darüber hinaus war es ihm aber auch ein Anliegen, mich sowohl charakterlich als auch glaubensmäßig in eine reife Selbstständigkeit zu führen.Dies nach dem Motto: „Ich wünsche mir, dass du besser und erfolgreicher werden kannst, als ich es bin.“ Mein Vorankommen war ihm wichtiger als sein eigenes. Das hat mich tief beeindruckt und letztlich dahingehend geprägt, ihm in dieser Grundeinstellung nacheifern zu wollen – als Vorbild zu leben und andere zu führen durch Fördern.  

Bei Paulus und Timotheus war es ähnlich, denn Paulus schreibt als Mentor an seinen jungen „Auszubildenden“ Folgendes: „Ich wünsche dir mein Sohn, dass du stark wirst durch die Gnade, die Jesus dir schenkt. Die Lehre, die du in der Gegenwart verschiedener Zeugen von mir gehört hast, vertraue zuverlässigen Menschen an, die auch in der Lage sein werden, sie an andere weiterzugeben.“

Mein Mentor war nur wenig älter als ich. Dennoch empfand ich ihn als väterlich, fürsorglich und bemüht, mich darin zu fördern, in meine Berufung hineinzuwachsen. Er war mir selbst dabei ein Vorbild. Über die Ausbildung zum Grafik-Designer hinaus nahm er mich mit in die kirchliche Jugendgruppe, die er leitete. Dort konnte ich vieles von ihm über den Umgang mit Jugendlichen lernen, und auch unter seinem Dabeisein das, was ich von ihm gelernt hatte, wiederum an andere weitergeben. Wie Timotheus an der Seite von Paulus lernte auch ich, nach jungen Leuten Ausschau zu halten, die ernsthaft motiviert waren, im Glauben zu wachsen und eine stabile Identität entwickeln zu wollen. Einige von ihnen konnte ich nun in ähnlicher Weise begleiten – dies mit dem Anliegen, dass sie sich zu inspirierenden Persönlichkeiten entwickeln würden, denen wiederum andere gerne folgen möchten.

So habe ich die Worte von Paulus selbst erlebt und zu meinem eigenen Motto im Umgang mit anderen gemacht. Später, als ich dann meine eigene Grafik-Agentur führte, wurde die Ausbildung junger Menschen das Herzstück meiner Tätigkeit. Mit Freude kann ich sagen, dass sich einige von diesen Auszubildenden inzwischen zu erfolgreichen und prägenden Fachkräften und Persönlichkeiten entwickelt haben.

Auch in der Jugendgruppe unserer Gemeinde fördern und begleiten meine Frau und ich einzelne junge Menschen. Ich habe allerdings im vergangenen Jahr auch damit begonnen, ein stärkeres Augenmerk auf die jungen Erwachsenen zu werfen, die immer häufiger unsere Gottesdienste besuchen.

Junge Menschen im durchschnittlichen Alter von 18 bis 35 durchleben eine Lebensphase, in der sie ihr eigenes Leben grundlegend einrichten und dabei ihre Identität festigen.

Weg von zu Hause, müssen sie alles selbst in den Griff bekommen: Wohnen, Einsamkeit, Glaube und Gemeinde, Beruf, Freunde, Finanzen, Weltanschauung, Zeitmanagement, Sport, Gesundheit, Erfolg und Lebensstil – alles muss irgendwie auf die Reihe kommen. Das kann für manche überwältigend sein, für andere zumindest stressvoll. Da bleiben auf diesem Weg Fragen offen und erfahrene Menschen, die zuhören, können eine Hilfe sein.

Auch nach solchen Leuten, die genau das tun wollen, nämlich zuhören und wenn es passt, hier und da auch aus ihrer Lebenserfahrung plaudern, habe ich ebenso im Blick und treffe mich zwanglos mit ihnen, um gemeinsam auszuloten, ob auch sie Mentoren in unserer Gemeinde werden könnten. In dieser etwas älteren Generation schlummert viel an Weisheit, und deren Lebensstil ist meistens gefestigt – Familie und Beruf bilden in der Regel einen festen Rahmen.

Und die noch Älteren haben die Wahl, ob sie in ihrem verdienten Ruhestand all dem nachjagen wollen, was sie meinen, vorher versäumt zu haben. Oder hätten sie nicht auch die Zeit dafür, jüngere Menschen auf deren Weg zu begleiten und zu fördern? Sie könnten somit helfen, dass jüngere Leute im Glauben an Jesus Christus wachsen und ihre Identität festigen, sowie ihre Berufung besser finden und wahrnehmen können.

Denn wir als generationsübergreifende Gemeinde wollen gemeinsam geistlich wachsen und reifen. Dazu benötigt es aber eine Mentoren-Kultur, was nichts anderes bedeutet als der neue fromm-deutsche Begriff „Jüngerschaft“. Lasst uns also Nachfolger Jesu sein und andere zu Jüngern machen. Dann dürfen wir erleben, dass die jetzt noch Jüngeren bald die Mitte unserer Gemeinde bilden.

Albrecht Fietz

 

 

Albrecht Fietz

Datum

9. Juli 2024

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