Wer bin ich eigentlich und wofür lebe ich? Was macht mich als Menschen aus?
Zu dieser großen Frage gibt der Kolosserbrief zentrale Impulse. Dort steht über Jesus:
Kol 1,16-17: Denn durch ihn wurde alles erschaffen, was im Himmel und auf der Erde ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, Könige und Herrscher, Mächte und Gewalten. Das ganze Universum wurde durch ihn geschaffen und hat in ihm sein Ziel. Er war vor allem anderen da, und alles besteht durch ihn.
Hier werden gleich zwei Wahrheiten über mich als Menschen deutlich:
1. Es geht nicht um mich. Ich bin nicht der Mittelpunkt des Universums, sondern Jesus.
2. Ich bin von Anfang komplett abhängig. Ich existiere nur durch Jesus und ich finde mein wahres Ziel nur in ihm.
Diese beiden Wahrheiten sind nicht immer angenehm zu akzeptieren.
Schon ganz am Anfang im Garten Eden können wir sehen, wie die Menschen dagegen rebellieren. In 1. Mose 3 wird beschrieben, dass Adam und Eva alles im Garten tun dürfen, bis auf eine Sache: vom Baum der Erkenntnis essen. Das weiß auch die Schlange. Sie will die beiden dazu verführen und macht ihnen ein Versprechen: „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“ (1. Mose 3,5) Damit stellt sie die zwei zentralen Wahrheiten von oben infrage. Sie sagt:
1. Es geht doch um euch, ihr werdet wie Gott sein, ihr werdet der Mittelpunkt sein.
2. Ihr könnt unabhängig sein. Wenn ihr vom Baum esst, dann braucht ihr Gott nicht mehr. Ihr könnt euer eigener Herr sein.
Die Konsequenz davon ist, dass ich als Mensch selbst festlegen kann, was mein Ziel im Leben ist. Ich kann selbst entscheiden, wo es hingeht, denn ich weiß, was richtig und was falsch ist. Adam und Eva waren überzeugt.
Und das klingt doch auch gut, oder? Endlich kann ich sein, wer ich sein will. Niemand sagt mir, wie ich sein muss. Ich kann mich selbst verwirklichen.
Aber tut uns diese Einstellung wirklich so gut?
Der Philosoph Søren Kierkegaard nimmt zu dieser Frage Stellung und behauptet, dass diese Einstellung nur zu Verzweiflung führen kann. Wie kommt er darauf?
Er setzt bei den Wahrheiten aus dem Kolosser-Text an. Gott hat uns geschaffen. Wir sind durch Jesus und auf ihn hin geschaffen. Jesus ist unser Ziel. Das heißt, unser wirkliches Selbst ist von Gott bestimmt. Es gehört zu unserem Wesen, von Gott geschaffen zu sein. Mein wahres Ich finde ich in der Beziehung mit Gott.
Wenn ich nun versuche, mich dagegen zu wehren und meinen eigenen Weg ohne Gott zu gehen, dann ist das eigentlich ein Kampf gegen meine eigene Beschaffenheit. Ich versuche jemand zu sein, der ich nicht bin. Denn wir sind nun mal von Gott geschaffen und damit auch immer in der Abhängigkeit zu Gott. Der Versuch sich davon zu lösen, ist ein unmögliches Unterfangen. Wenn man nun beständig versucht, nicht zu sein, was man ist, führt dies unweigerlich in die Verzweiflung.
Dazu kommt noch ein weiterer Gedanke. Wenn ich der Herr und Mittelpunkt meines Lebens sein will, dann muss ich das auch sein. Das klingt vielleicht erstmal unproblematisch, aber das bedeutet: Ich muss alle Last des Lebens selbst tragen. Ich muss alles im Leben selbst kontrollieren. Ich muss dem Leben Sinn geben. Ich muss Gott sein.
Ist das nicht eine grenzenlose Überforderung? Ich kann nicht alle Last tragen. Ich habe über die meisten Dinge keine Kontrolle. Aller Sinn, den ich gebe, ist immer nur kurzzeitig. Ich kann nicht Gott sein.
Daraus folgt, auch in meiner vermeintlichen Unabhängigkeit, bleibe ich abhängig. Ich kann so viel dagegen kämpfen, wie ich will. Ich kann versuchen mein eigener Herr zu sein. Aber wozu führt das? Nur dazu, dass ich am Kampf gegen mich selbst und an meiner heillosen Überforderung verzweifele. Ich bleibe abhängig. Abhängigkeit ist alternativlos.
Damit stehen wir vor der Wahl: Von wem wollen wir abhängig sein? Wen willst du auf dem Thron deines Lebens haben? Einen sündigen, unperfekten, fehlerhaften, begrenzten Menschen oder einen perfekten, allmächtigen, barmherzigen und liebevollen Vater?
Für mich ist die Antwort klar. Wenn ich selbst regiere, bin ich unter schlechter Herrschaft. Wenn Gott regiert, bin ich unter perfekter Herrschaft.
Ich will, dass Gott mein Herr ist. Aber dafür muss ich ihn auch meinen Herrn sein lassen.
Das bedeutet, dass ich nach seinem Willen frage und nicht meinen Willen durchsetzen will. Es gilt, mein Leben auf ihn auszurichten und ihn als Ziel meines Lebens anzuerkennen. Ich beuge mich unter seine Herrschaft und mache mich von ihm abhängig. Denn, wenn ich schon abhängig sein muss, dann möchte ich das, von meinem guten Hirten, Jesus, sein.
Dominik Ranke