Was ist das Ziel unseres Menschseins? Unsere ultimative Bestimmung? Wohin geht die Reise, wenn wir unser Christsein ernst nehmen und aus der Vergebung und dem Geschenk der Liebe Gottes leben?
„Kindsein“ war das Thema unseres letzten Einblicks. Auch Kind Gottes sein. Ist das das Ziel? In gewisser Weise gibt es tatsächlich nichts Großartigeres, als im Glauben anzunehmen, dass Gott uns verirrte,
fehlgeleitete, uns selbst überlassene Menschen als seine Kinder aufgenommen hat. Dass er selbst ins Lot gebracht hat, was wir alleine nicht gutmachen konnten. Dass er uns ohne Wenn und Aber durch Jesus Christus verzeiht und wir täglich aus dieser Vergebung und dem Zuspruch seiner Liebe leben dürfen. Also bleiben wir im Vollsinn des Wortes „Kinder“ Gottes.
Gleichzeitig beinhaltet Gottes Wachstumsprogramm für uns Menschen aber auch mehr. So schreibt der Apostel Paulus im Epheserbrief, dass unser Leben eine klare (Aus-) Richtung hat. Wir sollen „zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi hingelangen, damit wir nicht mehr unmündig seien..“ Eph. 4,13.14
Erwachsen zu werden im Menschsein und im Glauben – darum geht es. Unser Ziel, unsere Bestimmung zu erkennen und dafür mit ganzer Kraft und Liebe zu leben. Aber was bedeutet es nun, im Glauben erwachsen zu werden?
Im Römerbrief beklagt Paulus das menschliche Dilemma in der Vergöttlichung der Dinge, die geschaffen sind. Anstatt dass wir uns als Gottes Ebenbilder dem einzigen Gott zuwenden und ihn in unserem Leben Gott sein lassen, ziehen wir es vor, andere Menschen, Dinge, Mächte oder auch uns selbst in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen. Aber dadurch wird unser Menschsein entstellt. Ziel unseres Erwachsenwerdens aber ist es, wieder zu solchen Menschen zu werden, die Gottes Schönheit, Herrlichkeit und Güte annehmen und sie zu Gott und in die Welt reflektieren. Den einzigartigen Charakter Jesu Christi anzunehmen und
- inmitten einer Welt der Selbstsucht – Selbstlosigkeit,
- inmitten einer Welt des Neides – Großzügigkeit,
- inmitten einer Welt der Gier – Selbstbeherrschung,
- inmitten einer Welt der Dominanz – Demut,
- inmitten einer Welt der Spaltung – Einheit und
- inmitten einer Welt der Bitterkeit – Gnade und Versöhnung zu zeigen.
Erwachsen zu werden bedeutet dann, Verantwortung für das neue Leben zu übernehmen, das durch unsere Umkehr zu Gott und den Heiligen Geist in uns gekommen ist.
Erwachsen zu werden bedeutet nicht, einfach nach religiösen Regeln zu leben, weil „man“ das muss. Erwachsen zu werden bedeutet ebenso wenig, einfach nach dem Herzen und den eigenen Sehnsüchten zu leben, als ob alle Gefühle nun automatisch Ausdruck des neuen Lebens und des Willens Gottes seien.
Erwachsen zu werden bedeutet, auf den Ruf Jesu zu antworten: Folge mir nach. Dieser Ruf wird uns alles kosten. Alles. Denn dieser Ruf beinhaltet, jeden Tag unseres Lebens zu fragen: „Herr, was möchtest du? Herr, wie soll ich hier agieren/reagieren? Herr, ich gebe dir meine Wünsche. Herr, ich überlasse dir meinen Ärger. Herr, ich vergebe, weil du mir vergeben hast. Herr, verzeihe mir meine Ungeduld, ich werde mich entschuldigen. Herr, ich will deine Art wiederspiegeln, darum verändere mich so, wie du mich haben möchtest.“
Es geht darum, dass sich ein Charakter bildet. Dass sich unser Charakter wandelt. Und ja, dann werden wir Regeln einhalten – aber aus Charaktergründen. Und ja, dann werden wir unserem Herzen folgen und authentisch sein – weil es die Frucht des Geistes ist, die in uns heranwächst.
Erwachsen zu werden stellt sich nicht automatisch ein und hat auch nicht zwangsläufig mit unserem Alter zu tun. Aber es wäre schön, wenn wir mit zunehmendem Alter mehr von Christus – seinem Wesen, seinem Lebensstil und seinem Auftrag – widerspiegeln würden.
Thomas Bachmann