Mündige Kinder Gottes

Eine der interessantesten Erfahrungen, die ich in meiner Zeit als Jugendleiter gemacht habe, war, Jugendliche dabei zu beobachten und zu begleiten, wie sie erwachsen werden und ihren eigenen Weg finden. Zu sehen, wie aus jungen Teenagern Männer und Frauen werden, die ihren Platz im Leben finden, das erfüllt einen auch manchmal mit Stolz. Und regt zum Nachdenken an, über den eigenen Glaubensweg.

Jesus sagte einmal: „Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, werdet ihr nicht in Gottes Reich kommen.“ (Mt 18,3) Am Anfang unseres Glaubensweges steht die unverdiente Gnade. Wir müssen akzeptieren, dass wir uns den Platz bei Gott nicht verdienen können. Wie einem Kind, das nichts geleistet hat, sondern einfach geliebt wird, schenkt Gott uns seine Gnade. Das ist der Kern unserer Identität, wir sind Kinder Gottes.

Und gleichzeitig sollen wir nicht unmündig bleiben. Jesus nachzufolgen heißt auch, im Glauben erwachsen zu werden. Paulus schreibt im Brief an die Epheser: „Am Ende sollen wir alle eins sein im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes. Wir sollen zu vollendeten Menschen werden und eine Reife erreichen, deren Maßstab Christus selbst ist in seiner ganzen Fülle. Denn wir sollen keine unmündigen Kinder mehr sein; wir dürfen uns nicht mehr durch jede beliebige Lehre vom Kurs abbringen lassen wie ein Schiff, das von Wind und Wellen hin und her geworfen wird, und dürfen nicht mehr auf die Täuschungsmanöver betrügerischer Menschen hereinfallen, die uns mit ihrem falschen Spiel in die Irre führen wollen. Stattdessen sollen wir in einem Geist der Liebe an der Wahrheit festhalten, damit wir im Glauben wachsen und in jeder Hinsicht mehr und mehr dem ähnlich werden, der das Haupt ist, Christus.“ (Eph 4,13-15)

Im Glauben erwachsen werden, das heißt Jesus besser kennenlernen. Wenn wir anfangs noch auf die Unterweisung anderer angewiesen waren und die „Basics“ lernen mussten, können wir als mündige Christen entscheidungsstark und eigenständig Jesus nachfolgen. Erwachsener Glaube wird urteilsfähig, kann Lehre prüfen und unterscheiden. Glaube wird belastbar, hält Krisen und Probleme aus, ist authentisch und nahbar.

Mündig zu werden, das heißt auch, innerlich erwachsen zu werden, emotional gesund und charakterlich stark. Bei all dem darf das nicht fehlen, das für uns das Zentrum unseres Miteinanders ist, ja sogar wichtiger ist als der Glaube selbst: die Liebe. (1. Kor 13,2)

Die Wahrheit, die der Glaube erkennt, verknüpft sich mit der Liebe, die ihn leitet. Das bewahrt vor Starrsinn und Rechthaberei. Um die Gesundheit von solchen Glaubensprozessen zu prüfen, hilft es zu fragen: Werde ich dadurch stärker in Beziehungsfähigkeit und Liebe, zugewandt und dienstbereit, mitfühlend und respektvoll? Ohne kindliche Demut und ohne die Liebe wird Glaube stattdessen überheblich, distanziert und verurteilend. Mündigkeit und geistliche Reife misst sich an der Liebesfähigkeit.

Zuletzt ein Wort zur Unabhängigkeit. Obwohl wir immer verantwortlicher und souveräner werden, je mündiger wir werden, so werden wir doch immer abhängiger. Wir merken, ohne Jesus geht nichts mehr. Das ist das Besondere an der christlichen Mündigkeit. Immer weniger wir selbst leben in uns, und mehr und mehr Christus.

Stefan Röll

Albrecht Fietz

Datum

30. Januar 2024

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