Für die eigene Seele sorgen

Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünde vergibt und heilt alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler. 

Meine liebe Seele, jetzt hör mir einmal zu! Wie bitte? Meine Seele – was ist denn das? Der große Chirurg Virchow soll einmal gesagt haben, er habe so viele Menschen operiert und Leichen seziert, eine Seele habe er aber nie gefunden.

Also gibt es wohl keine Seele und keinen Gott – zumindest nach dieser materialistischen Weltanschauung. Aber jeder, der einen Menschen gut kannte und ihn vor und nach dem Sterben gesehen hat, weiß um den Unterschied.

Die Seele ist das Leben in uns, dieses ganz individuelle Leben, das uns so unverwechselbar zu diesem einen Menschen macht. In der Schöpfungsgeschichte heißt es, dass Gott Adam aus Erde geformt hatte und ihm dann seinen Odem eingehaucht hat „und so wurde der Mensch zu einer lebendigen Seele

Er bekam nicht eine Seele, er wurde eine Seele. Diese Seele kommt von Gott und sehnt sich nach Gott und findet erst dann Ruhe, wenn sie Ruhe findet in Gott. Die Psalmbeter sprechen mit ihrer Seele, stehen sich sozusagen selbst gegenüber und geben sich Ermutigung oder Ermahnung.

Sehr oft ist das der Satz: Lobe den Herrn, meine Seele. Wenn ich Gott lobe, geht mein Blick weg von mir, von meinen Problemen und meinen Wichtigkeiten hin zu Gott. Da bekommen meine Schmerzen, meine Ärgernisse, meine Befürchtungen die richtige Platzanweisung: Sie sind nicht größer als Gott. Das ist Seelsorge an der eigenen Seele, wenn wir unsere Seele ermahnen und ermutigen, Gott zu loben und uns seiner Hilfe anzuvertrauen.

Eine zweite Ermahnung betrifft unsere Gedankenlosigkeit, mit derwir oft all die guten Gaben Gottes empfangen und gebrauchen, ohne dem Geber ordentlich dafür zu danken. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“.

Wir nehmen es oft als selbstverständlich, 

… dass wir morgens aufstehen und auf unseren Füßen zum Frühstück gehen können;

… dass wir sehen und hören können;

… dass wir aus einem Schrank voll Kleidern auswählen können, was wir anziehen wollen;

… dass wir ein Dach über dem Kopf und genug Essen auf dem Teller haben;

… dass Frieden in unserem Land ist;

… dass wir Menschen um uns haben, die unsere Sprache sprechen, mit denen wir uns verständigen können;

… dass wir Freunde haben, die uns verstehen … 

Diese Liste kann jeder für sich weiterschreiben und dabei Gott von Herzen danken für all das Gute in seinem Leben. Und noch ein Drittes: Unsere Seele ist kränkbar. Leider ist das so, und was kränkt, macht krank. Für alle Kränkung, alle Schuld gibt es aber nur eine Medizin: Vergebung. Das ist ja Gottes großes Angebot an uns: „Der dir alle deine Sünde vergibt und heilt alle deine Verletzungen

Gott vergibt gerne und großzügig. Nicht als ein Automatismus, aber als ein ganz großes Angebot, das wir gerne und reichlich für uns nehmen dürfen. Vergebung ist nicht ein billiges  „Schwamm drüber“. Nein, es kostet uns viel, das Eingeständnis: Ich bin schuldig geworden. Da wird unser Selbstbild beschädigt, das wir uns doch so gerne makellos vorstellen. Jede Schuld ist eine Verletzung der Liebe und weil Gott Liebe ist, eine Verletzung Gottes. Darum brauchen wir so nötig die Vergebung Gottes für unsere Schuld an den Anderen.

Genauso nötig brauchen wir, dass wir denen vergeben, die an uns schuldig wurden. Ärzte wissen, dass viel Krankheit des Körpers und der Seele mit Lasten zu tun hat, die unsere Seele nicht auf Dauer ertragen kann. Lasten, die andere uns aufgepackt haben und die wir ihnen so lange nachtragen, bis wir sie endlich an das Kreuz bringen. Wenn Vergebung ausgesprochen wird, kann die Seele heil werden. Dann wird unser Mund wieder fröhlich und unsere Seele gesund. Der ganze Mensch profitiert davon, Körper, Seele und Geist. Man wird geradezu wieder jung, sagt David. Das ist Seelsorge an der eigenen Seele. Sehr empfehlenswert!

Irene Müller

 

Dazu die Kleine Kanzel:

Jesus sagte seinen Jüngern einmal: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und nimmt dabei Schaden an seiner Seele?“ (Matth.16,26)

Man kann also sehr erfolgreich sein in der Geschäftswelt, oder in der Welt der Reichen und Schönen, in Theater, Kunst oder im Sport, aber auch in der frommen Welt der Gemeinden, Werke, Missionsgesellschaften und dabei Schaden nehmen an seiner Seele.

Was ist denn die Seele?

Im Schöpfungsbericht lesen wir: „Da formte Gott, der Herr aus Staub vom Erdboden den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen.“ Oder auch: „So wurde der Mensch zu einer lebendigen Seele“ Dieser Atem Gottes hat uns lebendig gemacht und hält uns am Leben. Wer schon einmal einen Menschen beim Sterben begleitet hat, weiß, welch großer Unterschied in seinem Gesicht zu sehen ist zwischen den letzten Minuten des Lebens und den Stunden danach. Das, was diesen Menschen ausgemacht hat, sein ganz persönliches Wesen, sein Charakter, eben seine Seele, ist nicht mehr da. 

Unsere Seele, das ist weit mehr als unsere Gefühle, das ist auch Wille und Kraft, Intelligenz und Humor, Optimismus und Pessimismus, nachgiebig oder stur sein, überlegt oder impulsiv…man kann diese Aufzählung noch weit fortsetzen. Meine Seele ist, was mich als diesen unverwechselbaren Menschen ausmacht. Und diese Seele lebt in meinem Körper, macht ihn lebendig und wird geprägt und geleitet vom Geist Gottes, wenn ich als Christ lebe. Aber sie kann auch Schaden nehmen, nämlich immer dann, wenn ihr der Brennstoff entzogen wird, von dem sie lebt.

Zum Beispiel dann, wenn ein Mensch unendlich beschäftigt ist mit den Aufgaben, die ihm dieses Leben oder auch das Fortkommen, die Karriere, stellen; wenn alle seelischen und körperlichen Kräfte ausgerichtet sind auf den Erfolg, der sich hoffentlich in einem ordentlichen Kontostand zeigt oder in einem guten Ansehen bei den Kollegen und bei der Konkurrenz. Bei solcher Konzentration auf das Fortkommen kann es leicht passieren, dass man vergisst, woher man kommt und wohin man geht.

Dieser warnende Satz Jesu ist sicher allgemein gültig, aber er ist in erster Linie seinen Nachfolgern gesagt: „Passt auf, dass ihr bei aller guten Arbeit, die ihr macht, nicht das Wichtigste im Leben vergesst: den Brennstoff, den Gott zur Verfügung stellt für eure Arbeit, den Heiligen Geist.“ Wo immer wir aus der eigenen Kraft arbeiten, werden wir Erschöpfung, Ausbrennen, freudloses Arbeiten bis hin zur Resignation erleben. Wir werden Schaden nehmen an unserer Seele, wie Jesus es ausdrückt.

Da spielt es dann keine Rolle, ob der Ehrgeiz uns auffrisst, Geldgier oder Machtstreben, ob die Eitelkeit uns verblendet oder das Pflichtbewusstsein unsere letzten Kräfte verbraucht, wir haben Schaden genommen an unserer Seele, wir brauchen Heilung. Unserer Seele geht es dann gut, wenn sie zu Gott hin offen ist, von ihm Auftrag und Fähigkeiten bekommt, aber auch Ruhezeiten akzeptiert.

Wir dagegen handeln oft Not-orientiert. Wir sehen die Not, der man begegnen sollte, nein, der man doch begegnen muss, und es ist niemand sonst da, der es machen kann (denkt man!), also muss ich es doch machen. Und dann wird man noch darum gebeten, diesen Auftrag auch noch auszuführen, weil man es doch so gut kann… und man tut es, ohne bei Gott nachzufragen: „Herr, ist das dein Auftrag? Willst du, dass ich das mache? Kann ich das aus deiner Kraft heraus angehen?“ Wenn wir das lernen könnten, nicht Not-orientiert, sondern Auftrags-orientiert zu handeln, dann wäre viel gewonnen. Wir selbst können den Schaden, den unsere Seele erlitten hat, nicht wieder heilen. Aber wir können die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Gott ihn heilt. 

Ein Vers aus dem Lied von Gerhard Tersteegen verdeutlicht das:

Du durchdringest alles; lass dein schönstes Lichte,

Herr, berühren mein Gesichte.

Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten,

lass mich so, still und froh, deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.

„Dich wirken lassen“, das ist das Geheimnis eines glücklichen Christenlebens. Unsere Sache ist es, Gott zu vertrauen, Gottes Sache ist es, durch und mit, und manchmal auch trotz uns, zu wirken. So habe ich es gerade in einem ganz alten Buch von Hannah Whitall Smith gelesen („Das Geheimnis eines glücklichen Christenlebens“) Und so möchte ich lernen, zu leben.

Irene Müller

 

 

Albrecht Fietz

Datum

16. November 2022

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